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Die Schweiz ist spitze in Sachen Erwerbsungleichheit

14. Dezember 2023

Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihr Pensum zu reduzieren oder Ihre Karriere zu unterbrechen? Die Antwort hängt höchstwahrscheinlich davon ab, ob Sie ein Mann oder eine Frau sind. Denn fast nirgendwo auf der Welt ist der Geschlechtergraben in Sachen Karriere und Einkommen so gross wie in der Schweiz. Aber aufgepasst: Familienbedingte Auszeiten und Teilzeit haben einen hohen Preis. Bereits ein einjähriger Unterbruch führt zu einer dauerhaften 3%-igen Lohnminderung. Wer seine Karriere 5-6 Jahre unterbricht, wie es in der Schweiz vor allem Frauen tun, dem fehlt am Ende des Erwerbslebens eine ganze Million.

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Die Schweiz belegt in Sachen Erwerbsungleichheit einen Spitzenplatz. Insgesamt verdienen Frauen während ihres gesamten Erwerbslebens satte 43% weniger als Männer. Im europäischen Vergleich bildet die Schweiz in Bezug auf den geschlechtsspezifischen Erwerbseinkommensunterschied zusammen mit Österreich und den Niederlanden das traurige Schlusslicht. Im Vergleich dazu zeigen Länder wie etwa Schweden mit rund 24% oder Dänemark mit 25%, dass es auch anders geht.

Nicht nur individuelle, sondern auch gesamtwirtschaftliche Konsequenzen

In einem gemeinsam herausgegebenen Whitepaper (erschienen am 14.12.2023) beleuchten Advance, der führende Wirtschaftsverband für Gleichstellung in der Schweiz, und KPMG die Hintergründe sowie Lösungsansätze, wie diese Lücke geschlossen werden kann. Dabei geht es nicht allein um individuelle Auswirkungen insbesondere für Frauen, sondern auch um eine gesamtwirtschaftliche Ineffizienz, die sich die Schweiz angesichts des demografischen Wandels und Fachkräftemangels kaum leisten kann. Zwar ist die Anzahl an arbeitstätigen Frauen insgesamt hoch, allerdings arbeiten viele in kleinen Pensen, während sie den Grossteil der unbezahlten Arbeit zuhause übernehmen. Gemäss Bundesamt für Statistik entspricht die gesamte unbezahlte Arbeit einem geschätzten Geldwert von 434,2 Milliarden Franken. Der Beitrag von Frauen beträgt hierbei rund 60%.

Frauen sind bei höher bezahlten Berufen deutlich in der Unterzahl

Ein weiterer Grund für die enorme Einkommensschere zwischen den Geschlechtern liegt darin, dass Frauen in tiefbezahlten Berufen stark überrepräsentiert sind, während Männer die Mehrheit der höher bezahlten Positionen besetzen. So sind über 60% der Arbeitnehmenden (in Vollzeitanstellung) mit einem monatlichen Bruttolohn unter 4‘000 Franken weiblich. Im Gegensatz dazu sind fast 80% der Arbeitnehmenden mit einem monatlichen Bruttolohn über 16‘000 Franken männlich. Diese horizontale Geschlechtersegregation ist in der Schweiz auffallend stärker ausgeprägt als in den meisten anderen Ländern. Weshalb ist das so?

Viele Frauen verpassen den Anschluss in der «Rush Hour» des Lebens

Tief verwurzelte Geschlechterrollen sind neben fehlenden Vereinbarkeits- und teuren Betreuungsstrukturen die treibende Kraft hinter der Erwerbslücke. Trotz guter Ausbildung übernehmen bei einer Familiengründung meist immer noch die Frauen die traditionellen Haus- und Familienaufgaben. 69% der der Schweizer Paare gründen im Alter zwischen 31-40 eine Familie (BFS). Gemäss dem Gender Intelligence Report (2023) liegt der grösste Anteil aller Beförderungen (43%) aber genau in dieser Altersgruppe, und Frauen verpassen den Anschluss. Die Folge davon sind verzögerte Karriereverläufe, Teilzeitkarrieren und Lohneinbussen, die oft kaum mehr aufhol- oder umkehrbar sind. Deshalb sollten sich Frauen der langfristigen Auswirkungen bewusst sein und Entscheidungen gut informiert treffen, insbesondere im Hinblick auf ihre finanzielle Unabhängigkeit und Altersvorsorge. Fakt ist: 67% der Rentnerinnen in der Schweiz sind heute finanziell stark abhängig.

Stereotypische Rollenbilder wirken sich auf die Berufswahl aus …

… insbesondere im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Allerdings sind es gerade die MINT-Berufe, die besonders hohe Gehälter bieten und eine Schlüsselrolle in unserer modernen Wirtschaft spielen. Hier sind Frauen massiv unterrepräsentiert. Im europäischen Vergleich bildet die Schweiz auch in dieser Hinsicht das Schlusslicht. Gemäss aktuellen Zahlen von Eurostat stammen gerade einmal 31% der Masterabschlüsse im MINT-Bereich von Frauen, während es zum Beispiel in Dänemark über 43% und in Serbien über 48% sind. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) weist für 2021 sogar einen noch tieferen Wert von nur 26% aus (die Abweichung liegt vermutlich an leicht unterschiedlichen Definitionen der Fachbereiche).

Wie können wir die Lücke schliessen?

Als konkrete Lösungsansätze schlagen die Herausgebenden des Whitepapers folgende Massnahmen vor:

  • Aufklärung über finanzielle Konsequenzen: Unternehmen sollen transparente Informationen über finanzielle Auswirkungen von beruflichen Entscheiden sowie Optionen für Vereinbarkeit mit einem Mindestpensum von 70% bereitstellen (ein solches stellt ausreichende Pensionskassenbeiträge sicher). Junge Eltern müssen informierte Entscheide treffen können. Erst eine offene Kommunikation über mögliche Konsequenzen schafft die Basis für fundierte Entscheide.
  • Förderung der Berufswahl von Mädchen: Es ist von entscheidender Bedeutung, stereotypische Geschlechterrollen in der Berufswahl zu durchbrechen. Durch gezielte Bildung und Aufklärung können wir Mädchen ermutigen, sich für MINT-Berufe zu interessieren und ihre Talente voll auszuschöpfen. Dies erfordert nicht nur das Engagement von Schulen, sondern auch von Eltern, Lehrpersonen, den Medien und der gesamten Gesellschaft.
  • Flächendeckende Einführung von Tagesschulen und flexiblen Strukturen: Es ist entscheidend, Tages-schulen und flexible Arbeitsmodelle zu unterstützen, die es Eltern ermöglichen, ihre Familienpflichten gerecht zu verteilen. Diese Massnahmen helfen nicht nur Frauen, sondern auch Männern dabei, Karriere und Familie besser zu vereinbaren und den nötigen kulturellen Wandel zu beschleunigen.

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Medienkontakt für weitere Informationen
Alexandra Rhiner, Communication Manager Advance, alexandra.rhiner@weadvance.ch
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