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WO VERTRAUEN HERRSCHT, GEDEIHEN KREATIVITÄT UND LEISTUNG

Wie sähe die Schweizer Arbeitswelt aus, wenn rigide Arbeitsnormen einer vertrauensbasierten Führungskultur weichen würden? Und wie kommen wir dahin? Ein Gespräch mit Anna Mattsson, Präsidentin von Advance und Partner bei McKinsey & Company.

Der neuen Gender Intelligence Report von Advance und dem Kompetenzzentrum für Diversity & Inklusion der Universität St. Gallen (HSG) zeigt auf, wie Gleichstellung zusammen mit einer Flexibilisierung von Karrierewegen und einem neuen Führungsverständnis dem Fachkräftemangel entgegenwirken kann. Im Gespräch mit Anna Mattsson erkunden wir, was eine andere Führungskultur bewirken kann.

Anna, warum ist Vertrauen im beruflichen Umfeld so wichtig?

Nicht nur in der Arbeitswelt, sondern in jedem Lebensbereich sind Beziehungen, die auf Vertrauen basieren, Basis für Stabilität und bessere Resultate. Im professionellen Umfeld sind Menschen loyaler, produktiver und identifizieren sich mehr mit ihrem Unternehmen, wenn sie sich gehört fühlen und Vertrauen haben. In unseren Studien sprechen wir in diesem Zusammenhang vom Konzept «psychological safety», also psychologische Sicherheit. Ein autoritärer Führungsstil hingegen verhindert Kreativität – doch die brauchen wir in Zeiten, wo der technische Wandel so rasch voranschreitet und die Probleme, die wir versuchen zu lösen, immer komplexer werden.

«Als ich kurz davorstand, meine erste Führungsposition anzutreten, habe ich mich gefragt: muss ich diesen harschen ‘control and command‘-Stil übernehmen, wenn ich Karriere machen will?»

Welche Erfahrungen hast du mit diesen Unterschiedlichen Führungsstilen gemacht?

Am Anfang meiner Karriere habe ich eher rigidere Ansätze erlebt, ich arbeitete in einigen Unternehmen, wo junge Frauen mitunter nicht mal gegrüsst wurden, wenn sie ins Büro kamen. Die Devise war «control and command», und es kam auch vor, dass der Chef einen Mitarbeitenden angeschrien hat. Als ich dann kurz davorstand, meine erste Führungsposition anzutreten, habe ich mich gefragt: muss ich diesen harschen Stil übernehmen, wenn ich Karriere machen will? Ist das wirklich zielführend? Ich hatte nämlich das grosse Glück, die genau gegensätzliche Methode ebenfalls zu erfahren, da ich während der Universitätszeit auch mit sehr inspirierenden Führungspersönlichkeiten zusammenarbeiten durfte, die sich auf Menschen eingelassen haben. Das war ein Wendepunkt in meiner Karriere: ich habe bewusst den «old school»-Führungsstil abgelehnt und bin ganz entschlossen meinen eigenen Weg gegangen. Im Nachhinein kann ich sagen, dass Zusammenhalt, Offenheit und Motivation meine Mitarbeiter aber auch mich selber viel weiter gebracht hat: Ich konnte tolle Teams bilden und wir haben eng und effektiv zusammengearbeitet.

Wie sieht für dich eine gute Führungskultur aus?

Meine Erfahrung zeigt: um das Beste aus den Mitarbeitenden zu holen, ist gegenseitiges Vertrauen extrem wichtig. Dazu gehört, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitenden Freiheiten geben und sie ermutigen, Neues zu wagen. Niemals darf eine Kultur der Angst herrschen, denn das lähmt selbst Top-Performer. Wichtig ist auch, dass die Resultate zählen, nicht die Präsenzstunden.

Präsenz zeigen, ansprechbar sein, eine faire Feedbackkultur mit konstruktiver Kritik: auf diese Voraussetzungen lässt sich Vertrauen aufbauen. (Photo: Alexander Suhorucov, Pexels).

Das Vertrauen muss häufig aber zuerst aufgebaut werden…

Das ist ganz klar eine Führungsaufgabe und ein ständiger Prozess, zu dem gehört: Präsenz zeigen und ansprechbar sein, Fragen stellen statt urteilen, eine faire Feedbackkultur mit konstruktiver Kritik. Es geht darum, schrittweise ein nachhaltiges Klima der psychologischen Sicherheit aufzubauen. Erkennen kann man es daran, wenn Mitarbeitende sich trauen, um Hilfe zu bitten, den Status quo in Frage stellen oder Ideen einbringen können, ohne negative Konsequenzen zu fürchten. Wie zahlreiche Studien zeigen, sind Unternehmen, die ein solches Umfeld anbieten, innovativer und besser für Wandel gewappnet.

Also ein top-down-Prozess. Wie lässt sich dieser Führungsstil nach unten weitergeben?

«Walk the talk» ist hier die Devise! Die Führungsperson wird zum Coach: es geht nicht mehr darum, strikte Handlungsanweisungen, sondern eine situative Orientierung vorzugeben. Es soll erlaubt sein, Fehler zu machen. Inklusion ist unerlässlich: alle Gruppenmitglieder sollen sich angenommen fühlen. Führungsverhalten auf allen Ebenen, auch im mittleren Management, spielt eine wesentliche Rolle. Die klare Erwartungshaltung muss auf allen Hierarchiestufen konkret vorgelebt werden. Auch das das Wohlbefinden im Team sollte nicht ausser Acht gelassen werden.

Es gibt noch viel zu tun: in einer grossangelegten internationalen McKinsey-Studie haben 75% der Mitarbeitenden ihren Chef als grössten Stressfaktor im Job genannt. (Photo: Michael Schüller, Pixabay).

Keine leichte Aufgabe, oder?

Es ist tatsächlich eine grosse Herausforderung, die verschiedenen Hintergründe und Stärken in einem Team zu verstehen und zu einem organischen Ganzen zusammenzubringen. Mir liegt eine gute Feedback-Kultur am Herzen. Bei uns in der Firma folgen wir dem fundamentalen und wirksamen Prinzip der «obligation to dissent»: wir erwarten, dass fundierte Einwände oder Bedenken ausgesprochen werden, und zwar egal wie Senior oder Junior das Gegenüber ist. Mitarbeitende, die alles abnicken und bloss ausführen, bringen uns selber und unsere Klienten nicht weiter. Jede und jeder ist angehalten, kritische Fragen zu stellen, das ist Teil unserer Kultur, die uns gemeinsam stärker macht. Dies funktioniert, weil wir anderen immer mit Respekt und Offenheit begegnen, wofür wiederum psychologische Sicherheit der Grundstein ist.

Wie würde die Schweiz aussehen, wenn eine vertrauensbasierte Führungskultur die Norm wäre?

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 75% der Mitarbeitenden haben in einer grossangelegten, internationalen McKinsey-Studie ihren Chef als grössten Stressfaktor im Job genannt. Eine vertrauensbasierte Führungskultur würde mehr Loyalität und Zufriedenheit bringen, weniger Absenzen und Abgänge. Studien zeigen auch, dass eine vertrauensbasierte Kultur sich positiv auf Kreativität und Engagement auswirkt, was letztendlich Kundenbindung und sogar Unternehmenswert positiv beeinflusst. Kurzum: Ein gutes Arbeitsklima ist die Grundlage für bessere Resultate. Ausserdem haben wir es etwa am «Advance CEO-Breakfast» (ein Format, bei dem sich junge Talente mit erfahrenen Führungspersönlichkeiten austauschen) von der nächsten Generation von Führungskräften aus erster Hand erfahren, dass sich mit veraltetet und starren Strukturen keine Mitarbeitende binden lassen. In Zeiten von Fachkräftemangel kann sich das kein Unternehmen leisten.

Dieses Interview ist in leicht gekürzter Form in der Winterausgabe 2023 des Magazins «Ladies Drive» erschienen.
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